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Kleinkind sitzt vor dem Fernseher

Screens überall – wo sind die Eltern?

15. Dezember 2022

Eine der grössten erzieherischen Herausforderungen, mit denen Eltern heutzutage konfrontiert sind, ist der Umgang mit Bildschirmen zu Hause: Wie kann man den digitalen Konsum der Kinder (Smartphone, soziale Netzwerke, iPad, Videospiele) in unserer hypervernetzten Welt kontrollieren?

In der Schweiz besitzen 80% der Schüler am Ende der Primarschule (ca. 12 Jahre) ein Smartphone. Ein Drittel der 6- bis 7-Jährigen hat ein eigenes Tablet. Und Jugendliche verbringen täglich 180 Minuten auf ihrem Smartphone. Die Bildschirmzeit ist in den meisten Familien zum Thema Nr. 1 geworden. Die Teenager sind zunehmend Gefangene ihrer virtuellen Welt, was Angstzuständen und Depressionen Tür und Tor öffnet.

Wie kann man also diese Eltern unterstützen und den Kindern helfen, die zu viel Digitales konsumieren, was ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden schadet?

Auf der einen Seite führt das mangelnde Wissen der Eltern über die Auswirkungen von Bildschirmen auf das Gehirn der Kinder sowie auf ihre körperliche und geistige Gesundheit zu einer laschen Haltung. Auf der anderen Seite führt die Angst mancher Eltern dazu, dass sie alle Bildschirme zu Hause verbieten, weil sie glauben, so ihre Kinder zu schützen. Sie ahnen nicht, dass ihr Nachwuchs anderswo und auf andere Weise digitale Inhalte konsumiert. In beiden Fällen nehmen diese Familien Extrempositionen ein, die der gesunden Entwicklung ihrer Kinder nicht förderlich sind.

Es ist an der Zeit, Eltern über die wissenschaftlich nachgewiesenen physiologischen, psychologischen und verhaltensbezogenen Auswirkungen einer übermässigen Nutzung digitaler Tools von Kindern aufzuklären. Das Gehirn von Kindern ist kein Erwachsenengehirn en miniature. Es ist anders und befindet sich bis zum Alter von 25 Jahren noch in vollem Wachstum. Seine ausführenden Funktionen (der Teil des Gehirns, der eine Rolle spielt bei Planung, Kontrolle und geistiger Flexibilität) sind noch nicht voll betriebsfähig. Deshalb brauchen Kinder und Jugendliche Eltern, die diese Rolle übernehmen und Grenzen setzen. Übermässiger Bildschirmkonsum bei Jugendlichen kann die Entwicklung ebendieser exekutiven Funktionen beeinträchtigen und sie daran hindern, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Es ist es auch wichtig, die Eltern an ihre natürliche Autorität zu erinnern, wenn es darum geht, die Bildschirmnutzung innerhalb der Familie zu regeln. Darüber sprechen, warum Erwachsene mehr Zeit vor dem Bildschirm verbringen können, über die Nutzung von Bildschirmen diskutieren und Regeln für Bildschirme erstellen – solche Ansätze können erfolgreich sein, denn sie setzen Grenzen und drücken den gegenseitigen Respekt aus.

Letztendlich sollten die Eltern immer daran denken, dass Sie als Elternteil immer selbst entscheiden sollten, unter Berücksichtigung vom Verhalten Ihres Kindes und dessen Entwicklung, was sie ihrem Kind zumuten können: Der 11-jährigen Tochter ein Smartphone zu geben oder nicht, ein Videospiel herunterzuladen oder nicht, sein Kind einen ganzen Samstagnachmittag an seinem Tablet zu lassen oder nicht etc. Und das ganz ohne irgendwelche gesellschaftliche Schuldgefühle.

Hier sind fünf praktische und einfache Tipps, um die Harmonie in der Familie wiederherzustellen und die Kinder vor Exzessen zu schützen:

  • Begrenzen: Die Bildschirmzeit sollte im Voraus vereinbart werden. Sie sollte je nach Alter des Kindes, seiner Sensibilität und seiner digitalen Aktivität variiert werden.
  • Gemeinsame Bildschirmzeit einplanen: Indem man zusammen Videogames spielt, einen Fernseh- oder Kinoabend macht, indem man nur den Fernseher einschaltet und andere Geräte wie Tablet, Smartphone und Laptops ausschaltet / zur Seite legt.
  • Offline-Zeit vereinbaren: Während der Offline-Zeit, die mindestens genauso lang ist wie die Online-Zeit, ist es empfehlenswert, sich körperlich zu aktivieren, idealerweise an der frischen Luft.
  • Sich informieren: Im Vorfeld Informationen einholen über Spiele, soziale Netzwerke und Apps, bevor Sie diese auf das Gerät des Kindes herunterladen. Dabei gilt die Regel: selber testen und überprüfen, ob der Inhalt angemessen ist.
  • Seien Sie ein Vorbild: Halten Sie ein Auge auf Ihre eigene Bildschirmzeit, pflegen Sie einen gesunden Lebensstil, geben Sie Wissen (online und durch Bücher erworben) weiter, planen Sie bildschirmfreie Aktivitäten, um den Familienzusammenhalt zu stärken.

 

Das Rad der Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Die neuen Technologien werden sich auch künftig sehr schnell weiterentwickeln – und neue, passende Geräte dazu werden erscheinen. Aber es ist möglich, das Gleichgewicht zu halten und Grenzen zu setzen: Durch einen intelligenten, digitalen und pädagogischen Ansatz, durch mässigen Konsum und den Austausch von virtuellen und realen Erfahrungen.

 

Dieser Artikel wurde von Aurélie Andriamialison, Psychologin FSP, verfasst. Aurélie ist Life-Coach für Kinder und Ausbildnerin und bietet Coaching-Programme für Kinder, Jugendliche und ihre Familien an. Daneben veranstaltet sie Workshops zum Thema Elternsein im digitalen Zeitalter, um die Entwicklung des Gehirns und die Auswirkungen von Bildschirmen auf Kinder besser zu verstehen. Dabei zeigt sie praktische Lösungen zur Vermeidung von übermässigem digitalen Konsum auf.

Weitere Informationen zu den Tätigkeiten und Programmen von Aurélie Andriamialison finden Sie hier:

www.seedsofjoy.ch

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